Strafklageverbrauch bei fortgesetzter Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO

Wer als handlungspflichtige Person im Fall der Insolvenzreife die rechtzeitige und richtige Stellung des Insolvenzantrages unterlässt, kann wegen Insolvenzverschleppung nach § 15 a Abs. 4 InsO bestraft werden. Bei dem Straftatbestand der Insolvenzverschleppung handelt es sich um ein sog. Dauerdelikt. Dies hat zur Konsequenz, dass die Pflicht zur Stellung des rechtzeitigen und richtigen Insolvenzantrages nicht durch Zeitablauf endet. Vielmehr endet die Handlungspflicht erst dann, wenn die handlungspflichtige Person einen richtigen Insolvenzantrag gestellt hat oder die wirtschaftliche Krise der Gesellschaft überwunden ist. Diese Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags bleibt grds. auch dann bestehen, wenn ein Gläubiger der Gesellschaft – z. B. ein Lieferant, das Finanzamt oder die Sozialversicherungsbehörden – einen sog. Fremdantrag gestellt hat.


In der rechtlichen Konsequenz bedeutet dies, dass der Handlungspflichtige weiterhin auch dann zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet ist, wenn er die rechtzeitige, d.h. fristgerechte Stellung des Insolvenzantrags versäumt und sich deshalb bereits wegen Insolvenzverschleppung strafbar gemacht hat. Durch das Fortbestehen der Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages wir der Handlungspflichtige praktisch dazu gezwungen sein strafbares Unterlassen zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrages offenzulegen. Der Handlungspflichtige wird insoweit gezwungen sich selbst wegen einer Straftat zu bezichtigen. Dennoch verneint die Rechtsprechung in diesen Konstellationen die Anwendung des verfassungsrechtlich garantierten Nemo-Tenetur-Grundsatzes, wonach Niemand gezwungen werden darf sich selbst zu belasten. Der faktische Zwang zur Selbstbelastung ist jedoch zumindest in der Strafzumessung von Bedeutung und muss durch den Strafverteidiger aktiv vorgetragen werden.
Die strafbewährte Handlungspflicht zur Stellung eines richtigen Insolvenzantrages soll nach Ansicht der Strafverfolgungsbehörden grds. auch dann nicht enden, wenn der Handlungspflichtige bereits wegen des gleichen Tatgeschehens bestraft bzw. verurteilt worden ist. Vor diesem Hintergrund wird gegen den Handlungspflichtigen durch die Staatsanwaltschaft auch nach dessen Verurteilung ein neues Strafverfahren wegen dem Vorwurf der Insolvenzverschleppung wegen des gleichen Tatgeschehens eingeleitet. Hiergegen ist im Rahmen der aktiven Verteidigung vorzugehen. In diesem Zusammenhang hat erstmals das OLG München im Jahr 2012 entschieden, dass eine neue Verurteilung bei unveränderter Tatsachengrundlage grds. nicht in Betracht kommt und insoweit Strafklageverbrauch eingetreten ist. Das OLG München fordert für eine neue Verurteilung, dass „ein neuer, von dem ersten qualitativ verschiedener, weil die vorherige Verurteilung außerachtlassender Tatentschluss“ festgestellt wird, „für dessen Vorliegen sich Anhaltspunkte in äußeren Handlungen ergeben müssen“. Erforderlich ist das Hinzutreten von neuen, relevanten Tatumständen nach dem vorangegangenen, bereits abgeurteilten Tatgeschehen. Eine weitergehende Präzisierung hat das OLG München jedoch nicht vorgenommen.

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