Bestreiten der Tat nicht strafschärfend

In der Strafzumessung darf es einem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen, dass er die Tat bestreitet und er insoweit keine Schuldeinsicht und Reue zeigt. Deshalb darf ein strafschärfender Umstand nicht allein aus der legitimen Fortführung eines Zivilprozesses nach Rechtskraft eines strafrechtlichen Schuldspruchs wegen Betruges hergeleitet werden. Zulässig ist eine andere Bewertung nur dann, wenn das nachtatverhalten des Angeklagten auf besondere Rechtsfeindlichkeit und Gefährlichkeit schließen lässt.

BGH, Beschluss vom 15. 5. 2012 – 3 StR 121/12

Gründe:

Das LG hatte den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Strafausspruch wegen versuchten Betruges aufgehoben wird.

Nach den gerichtlichen Feststellungen hat der Angeklagte einen Dritten dazu veranlasst, sein Gebäude in Brand zu setzen, um die Auszahlung von seiner Feuerversicherung zu erreichen. Nachdem die Versicherung die Schadensregulierung abgelehnt hatte, erhob der Angeklagte gegen sie Klage auf Feststellung der Deckungspflicht. Der Angeklagte hielt an der zivilrechtlichen Durchsetzung auch dann noch fest, nachdem er in dem Strafverfahren rechtskräftig verurteilt wurde. Im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, bei dem die Stadt den Angeklagten auf Erstattung der Löschkosten in Anspruch genommen hat, trug der Angeklagte ebenfalls nochmal vor, er habe den Brand nicht verursacht.

Das LG hat dem Angeklagten straferschwerend angelastet, dass er seine Klage gegen die Versicherung weiter verfolge, auch nachdem der Schuldspruch in dem Strafverfahren rechtskräftig geworden sei. Dies, so das Landgericht, lasse auf eine ausgeprägte Rechtsfeindschaft des Angeklagten schließen. Diese Bewertung begegnet nach dem Beschluss des BGH durchgreifenden Bedenken. Denn, so führt der BGH aus: „Einem Angeklagten darf es nicht zum Nachteil gereichen, dass er die Tat bestreitet und infolgedessen keine Schuldeinsicht und Reue zeigt. Dies gilt auch dann, wenn nach einem rechtskräftigen Schuldspruch nur noch über den Strafausspruch verhandelt wird. Zum Nachteil des Angeklagten darf selbst in diesem Verfahrensstadium nicht verwertet werden, dass er sich etwa “mit Rücksicht auf das noch nicht abgeschlossene Zivilverfahren bislang nicht entschuldigt”, kein Mitgefühl und keine Schuldeinsicht gezeigt, sich nicht um die Wiedergutmachung des Schadens bemüht hat oder das Tatopfer noch einmal vernommen werden muss. Eine andere Bewertung ist nur zulässig, wenn der Angeklagte bei seiner Verteidigung ein Verhalten an den Tag legt, das im Hinblick auf die Art der Tat und die Persönlichkeit des Täters auf besondere Rechtsfeindlichkeit und Gefährlichkeit schließen lässt.“ Ein solcher Fall liegt aber nach Ansicht des BGH nicht vor. Der Angeklagte sei nämlich von Rechts wegen auch nach Rechtskraft des strafrechtlichen Schuldspruchs nicht gehindert, die Tat weiterhin zu leugnen und die ihm nach seinem Vorbringen gegen die Feuerversicherung zustehenden Ansprüche zivilrechtlich weiter zu verfolgen. Der BGH führt aus: „Im deutschen Rechtssystem ist das Zivilverfahren grundsätzlich nicht durch das Ergebnis des Strafverfahrens präjudiziert. Vielmehr findet dort an den Sachvortrag der Parteien anknüpfend gegebenenfalls eine eigenständige Beweisaufnahme statt, die grundsätzlich durchaus zu einem anderen Ergebnis als die im Strafprozess unter Beachtung der Offizialmaxime durchgeführte Sachverhaltsermittlung führen kann. Deshalb war der Angeklagte – worauf die Erwägungen des LG im Ergebnis hinausliefen – nicht verpflichtet, seine Berufung gegen das erstinstanzliche zivilrechtliche Urteil nach Rechtskraft des strafrechtlichen Schuldspruchs zurückzunehmen. Allein aus der legitimen Fortführung des Zivilprozesses kann daher nicht auf eine besondere Rechtsfeindschaft der Angeklagte geschlossen werden. Darüber hinausgehende Umstände, die einen solchen Schluss rechtfertigen könnten, sind nicht festgestellt.“ Für den konkreten Fall hat der BGH weiterhin erklärt: „Es ist nicht auszuschließen, dass das LG, welches in die Prüfung, ob von der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 StGB abzusehen ist, den Versuch als vertypten Milderungsgrund nicht eingestellt, den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB aber nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert und gleichwohl dieselbe Strafe wie in der ersten tatrichterlichen Entscheidung verhängt hat, ohne die rechtsfehlerhafte Erwägung auf eine niedrigere Sanktion erkannt hätte. Ein Vorgehen nach § 354 Abs. 1a StPO kommt nicht in Betracht.“

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